All That We Share Sindelfingen – gelebte Demokratie im Video

Ein Video, das nicht loslässt

Bevor Du weiterlesen kannst, lade ich Dich ein, Dir dieses Video anzusehen: Wir haben diesen Clip so lange in unseren Workshops gezeigt, bis etwas passiert ist. Der Jugendgemeinderat Sindelfingen nahm an einem unserer Workshops zum Thema Rassismus und gesellschaftliche Vielfalt teil. Dort lief wie so oft dieses Video. Und dann geschah etwas Spannendes: Die Jugendlichen wollten es nicht nur sehen, sie wollten es nachmachen. Für mich war das ein Schlüsselmoment. Weil er zeigt, was Medienpädagogik ausmacht: Sie bleibt nicht im Kopf, sie führt ins Handeln. Medienpädagogik war für mich schon immer mehr als bloße Wissensvermittlung. Es ging und geht darum, Menschen dort abzuholen, wo sie sind – mit den Medien, die sie ohnehin nutzen. Als ich noch als medienpädagogischer Referent beim Landesmedienzentrum Baden-Württemberg gearbeitet habe, war das genau mein Ansatz: Inhalte lebendig machen, Diskussionen anstoßen, Erfahrungen ermöglichen. Diese Haltung prägt mich bis heute. Seit über zehn Jahren versuche ich, sie auch in die Arbeit der Fachstelle einzubringen – in Workshops, in Vorträgen, in Projekten. Denn Demokratie lebt nicht nur von Strukturen oder Programmen. Sie lebt davon, dass Menschen etwas erleben, das sie berührt, Freude macht – und trotzdem in die Tiefe geht. Genau hier schließt unser aktuelles Projekt an: „All That We Share – Sindelfingen“.

Warum das Bündnis

Vor rund eineinhalb Jahren gingen die Recherchen zum geheimen Treffen der AfD in Potsdam durch die Medien. Pläne über Massendeportationen, mitten aus der gesellschaftlichen Mitte heraus, sorgten bundesweit für Entsetzen – und für eine Welle von Demonstrationen. Auch in Sindelfingen versammelten sich damals Hunderte Menschen auf dem Marktplatz, um ein Zeichen zu setzen. Aus dieser Kundgebung heraus entstand das „Bündnis buntes Sindelfingen“ – getragen von Parteien, Gewerkschaften, Kirchen, Vereinen und vielen engagierten Bürger:innen. Von Anfang an war mir klar: Es reicht nicht, einmal gemeinsam zu demonstrieren und dann wieder auseinanderzugehen. Wenn wir glaubwürdig bleiben wollen, braucht es Projekte, die wirken und sichtbar machen, dass wir zusammenstehen. Deshalb habe ich gleich beim Start des Bündnisses ein erstes Projekt vorgeschlagen: ein gemeinsames Video. Nichts Kompliziertes, keine lange Konzeptphase – sondern etwas, das wir schnell realisieren und gemeinsam veröffentlichen konnten. So entstand das Video „Sage Nein“, das wir mit der Genehmigung von Konstantin Wecker produzieren durften. Dieses Projekt hatte gleich mehrere Effekte: Zum einen haben sich die Beteiligten beim Dreh viel besser kennengelernt – ganz praktisch, jenseits von Sitzungstischen und Redelisten. Zum anderen wurde das Video genau zu einem Zeitpunkt fertig, als die erste Euphorie des Bündnisses abebbte und die Frage im Raum stand: Und jetzt? Die Veröffentlichung gab uns neuen Schwung. Viele merkten: Wir können gemeinsam etwas bewegen, das bleibt. Und hier zeigt sich auch die fachliche Dimension: Ein Bündnis muss immer auf zwei Ebenen wirken. Nach außen geht es darum, ein Signal zu senden – ob wir Resilienz stärken, Radikalisierung vorbeugen oder sogar versuchen, Menschen zurückzugewinnen. Genauso wichtig ist aber die Wirkung nach innen: dass das Bündnis stabil bleibt, dass diejenigen, die sich engagieren, Momente von Selbstwirksamkeit erleben. Das Videoprojekt hat genau das ermöglicht – und damit gezeigt, dass innere Stabilität ebenso wertvoll ist wie öffentliche Sichtbarkeit.

Das neue Projekt

Nach dem ersten Erfolg mit „Sage Nein“ war schnell klar: So etwas brauchen wir noch einmal. Nicht, weil man einfach ein zweites Video drehen wollte, sondern weil dieser gemeinsame Prozess so wertvoll war. Beim Dreh lernten sich Menschen kennen, die sich sonst vielleicht nie begegnet wären. Und das Bündnis wurde durch die Sichtbarkeit nach außen noch einmal gestärkt. Diesmal haben wir ein ambitioniertes Ziel: Wir möchten das neue Video nicht nur online zeigen, sondern es im Januar 2026 auf der großen Bühne des Sindelfinger Neujahrsempfangs präsentieren. Ein starkes Zeichen für eine Stadt, die Vielfalt lebt und zusammensteht. Die Vorlage ist da. Viele erinnern sich noch an die Version des Jugendgemeinderats, die vor einigen Jahren entstand – damals angestoßen durch einen Workshop unserer Fachstelle. Besonders spannend ist, dass einige der Jugendlichen von damals heute längst Verantwortung tragen: Felix Koch sitzt inzwischen für die CDU im Gemeinderat, Umut Celik engagiert sich ehrenamtlich in vielen Bereichen und ist längst ein fester Teil der Stadtgesellschaft. Man spürt daran, wie eine Idee aus einem Workshop weiterwächst und Menschen prägt. Genau diesen Gedanken greifen wir nun auf: Im Bündnis haben sich Arbeitsgruppen gebildet, die das Projekt vorbereiten. Rund hundert Menschen sollen am 28. Oktober 2025 in der Sporthalle des Gymnasiums Unterrieden zusammenkommen, um ihre Gemeinsamkeiten sichtbar zu machen – quer durch Generationen, Herkünfte und Lebenswelten. Und wir als Fachstelle begleiten diesen Prozess nicht nur organisatorisch, sondern auch dokumentarisch: Wir halten fest, wie so ein Projekt entsteht – von der ersten Idee über die Abstimmungen bis zum fertigen Video. Am Ende soll daraus eine Art Kochbuch mit E-Learning-Elementen entstehen. So können andere Kommunen, Schulen oder Initiativen von unseren Erfahrungen profitieren und eigene Projekte starten. Denn es geht nicht nur darum, nach außen ein Zeichen zu setzen. Ebenso wichtig ist, dass ein Bündnis nach innen erlebt: Wir können gemeinsam etwas gestalten. Wir können Vielfalt organisieren. Wir können Demokratie im Kleinen praktisch üben. Genau diese Selbstwirksamkeit macht ein Bündnis stark – und sorgt dafür, dass es trägt.

Warum wir mehr solcher Projekte brauchen

Wenn man ein solches Videoprojekt beschreibt, könnte man versucht sein, es als „Begleitmaßnahme“ oder „schönes Extra“ einzuordnen. Doch wer einmal erlebt hat, wie Menschen sich bei einem Dreh begegnen, wie Gespräche entstehen und wie Stolz und Freude wachsen, weiß: Das ist kein Beiwerk – das ist gelebte Demokratie. Wir sprechen oft darüber, wie man Resilienz stärkt, Radikalisierung vorbeugt oder verlorene Menschen zurückgewinnt. All das ist wichtig. Aber Demokratiearbeit darf nicht erst dort anfangen, wo Gefahr sichtbar wird. Sie muss dort beginnen, wo Menschen einander begegnen – mit ihren Unterschieden, aber auch mit ihren Gemeinsamkeiten. Projekte wie „All That We Share“ tun genau das. Sie schaffen Räume, in denen Vielfalt nicht abstrakt diskutiert, sondern sichtbar und erfahrbar wird. Sie holen Menschen raus aus Zuschreibungen und rein in echte Begegnung. Und sie vermitteln ein Gefühl, das in Zeiten gesellschaftlicher Spaltung unverzichtbar ist: Wir gehören zusammen. Darum glaube ich: Wir brauchen viel mehr solcher Projekte. Nicht nur in Sindelfingen, sondern in Städten und Gemeinden überall im Land. Denn Demokratie zeigt sich nicht allein in Wahlkabinen oder in Parlamentsdebatten. Sie zeigt sich in den Momenten, in denen wir spüren, dass wir Teil einer Gemeinschaft sind – trotz aller Unterschiede.

Fazit

Normalerweise schließe ich meine Texte ohne Appell. Ich vertraue darauf, dass Menschen ihren eigenen Wert daraus ziehen, meine Texte zu lesen – oder eben nicht. Und dass es keinen klassischen Call-to-Action braucht. Diesmal möchte ich davon abweichen. Denn wir suchen noch Menschen in Sindelfingen, die am 28. Oktober 2025 beim Videodreh dabei sein wollen – quer durch Generationen, Berufe, Lebenslagen. Und wir möchten auch andere Kommunen ermutigen, sich von dieser Idee inspirieren zu lassen. Darum heute ausnahmsweise ganz direkt: Wenn Du in Sindelfingen lebst – mach mit. Wenn Du in einer anderen Stadt Verantwortung trägst – übernimm die Idee. Denn Demokratie lebt nicht von großen Worten, sondern von erlebten Momenten. Und genau die wollen wir gemeinsam sichtbar machen. ℹ️ Mehr Infos und den Link zur Anmeldung findest Du hier: Zum Bündnis https://buendnis-buntes-sindelfingen.de/ Zur Anmeldung beim Videoprojekt in Sindelfingen www.fexbw.de/videoprojekt